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Die besten Kochbücher für deutsche Küche

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Deftig vegetarisch – HeimatkücheBlick ins Buch
Der Deutsche Kochbuchpreis - GOLD

Ø 7.5

Deftig vegetarisch – Heimatküche

So schmeckt Heimkommen – Traditionelle Rezepte neu entdeckt!

Autor/-in: Verlag: Becker Joest Volk Verlag

Ein köstliches Stück Heimat
Kann man Heimat essen? Auf alle Fälle! Da ist sich Anne-Katrin Weber sicher. So sehr wir uns in den Küchen der Welt auskennen, so sehr sehnen wir uns nach dem Geschmack der Lieblingsgerichte von früher, nach vertrautem, … [weiterlesen]

Begründung der Jury:

In diesem Buch geht es um Heimat, die man essen kann, schreibt Anne-Katrin Weber im Vorwort. Einige Klassiker wie Kässpätzle oder Senfeier waren schon immer vegetarisch, einige wolle sie behutsam modernisieren, entstauben und entfetten. Dann los – ich bin gespannt.

Die Kapitel sind nicht aufgeteilt in Zutaten oder Jahreszeiten, sondern in Kategorien wie Alltagsglück, Ofenfreuden, Brotzeit oder Naschwerk – mag ich. Auch das reduzierte Layout spricht mich an. Die Props kommen mir irgendwie so vor, als hätt ich sie alle schon mal gesehen, das macht mir aber GAR nichts, fast im Gegenteil, es fühlt sich herrlich heimelig an.

Es wird gekrümelt und gekleckst, ich rieche, schmecke und fühle einfach jedes Rezept schon beim Umblättern. Wolfgang Schardt fängt die Gerichte so gekonnt ein - man sieht, dass die beiden nicht zum ersten Mal zusammenarbeiten. Die Nudeln mit Rote Bete Pesto strahlen mir aus dem Buch entgegen, fast zu pink um wahr zu sein. Keine Ahnung, wie Anne-Katrin es macht, dass selbst die Ofengerichte noch so farbenfroh sind.

Mein Highlight, auch weil noch nie gehört: der schwäbische Salzkuchen. Ein dünner Hefeteig, der wie bei einer Quiche mit einem Guss aus Creme Fraiche, saurer Sahne, Eiern, Schnittlauch aufgegossen und vor dem Backen noch– Achtung, ich liebs – mit Kümmel und Butter getoppt wird. Oder vielleicht doch die gefüllten Kartoffelknödel mit Waldpilzragout? Hmmm, die Brezelknödel mit Rahmlauch sehen auch fantastisch aus. Oder einfach diese gritzegrüne Stulle mit zitronig-kräuterigem Erbsen-Aufstrich, knackigen Gurken und Sprossen?

Dampfnudeln mit Vanillesauce kann man auch als Hauptgericht essen. Oder?
Die erfolgreiche Kochbuchautorin Anne-Katrin Weber legt mit „Heimatküche“ schon den fünften Titel ihrer „Deftig vegetarisch“-Reihe auf. Der Name ist Programm: Diesmal sind typische Vertreter der sonst eher fleischlastigen deutschen Volksküche – erneut ausgesprochen appetitanregend fotografiert von Wolfgang Schardt – in tierfreien Versionen rezeptiert. Das gelingt schlüssig und genussversprechend bei ohnehin (ovo-lakto-)vegetarischen Speisen wie Spinatnocken, Eiern in Senfsauce, Käsespätzle und naturgemäß den Süßspeisen, sowie bei teilsubstituierten Gerichten mit Räuchertofu oder Steinpilzen statt Speck (Rübenauflauf, Kohlrouladen, Schupfnudeln mit Sauerkraut). Die wenig überzeugenden Ansätze wie beim heringfreien Labskaus, Maultaschen in Ravioli-Form oder Königsberger Klopse aus Grünkernschrot bilden die Ausnahme.
„Heimat, die kann man schmecken“, weiß die erfahrene Autorin, Foodstylistin, Oecotrophologin und Maultaschen-Liebhaberin Anne-Katrin Weber, die zusammen mit dem (ebenso erfahrenen) Fotografen Wolfgang Schardt ihre Reihe „Deftig …“ fortsetzt. In den sechs Kapiteln Alltagsglück, Ofenfreuden, Suppenwonne, Sonntagsessen, Brotzeit und Naschwerk hat Anne-Katrin Weber „Traditionelles behutsam modernisiert“. Das gelingt nicht immer, denn warum Naschwerk-Gerichte wie „Rote Grütze“ und „Bratäpfel mit Marzipansauce“ auch „deftig“ sein sollen, wird nicht klar. Das hätte man in ein paar Zeilen auf der Kapitel-Aufmacherseite erklären können. Alle Rezepte werden durch kurze Vortexte eingeleitet, hierdurch wirken die Seiten gelegentlich etwas voll. Rezepttexte sind im Blocksatz mit gefetteten Zutaten und ohne Absätze verfasst, daran muss man sich gewöhnen. Dagegen bieten Zubereitungszeit, Nährwerte sowie (eher klein geratene) Hinweise auf Ernährungsformen tolle Orientierungshilfen.
Vegetarismus (und noch mehr Veganismus) ist vermutlich der erste Küchenstil, der sich in einer globalisierten Welt entwickelt hat. Und das bedeutet leider, dass er oft keine Heimat hat, dass man Avocadobrot, Cashewmus und Bowls überall bekommt und es somit auch überall ein bisschen das gleiche ist. “Deftig Vegetarisch” will der vegetarischen Küche eine deutsche Heimat geben, oder vielleicht auch der deutschen Heimat eine vegetarische Küche geben. Diese Prämisse finde ich sehr gut, im Buch finde ich aber dann doch zu viele Rezepte, auf die ich auch von selbst gekommen wäre.
„Kartoffeldeutsch“ so könnt man den Heimatbegriff bezeichnen, der die Grundlage dieses vegetarischen Heimkommens laut Einleitung darstellen soll. So passt es auch, dass der Knolle als einzigem Gemüse eine eigene Warenkunde gewidmet wird. Leider verschenkt das Buch die Chance, deutsche Gemüsegrundlagen mit kulinarischem Erbe zu verbinden und dieses pflanzenbasiert weiterzuentwickeln.
Das Buch verspricht Heimat und die Neuentdeckung von traditionellen Rezepten. Die Neubearbeitung der genauso wie ihr Original betitelten Klassiker, die aus meiner Sicht notwendig wäre, um daraus einen vergleichbaren Genuss zu machen, fällt aber sehr schlicht aus oder besteht in vielen Fällen lediglich im Weglassen. Was daran ein moderner Twist sein soll, erschließt sich mir nicht. Ich komme auf nur ein paar Rezepte die ich als halbwegs interessant neuinterpretiert ansehen würde.
Die Rezepte sind stattdessen weitestgehend Klassiker wie Himmel & Erde, Labskaus, oder Flammkuchen, die eine wirkliche Neuinterpretation nach meinem Eindruck weitestgehend vermissen lassen. Oft fehlt einfach nur der Speck oder die Wurst.
Wer allerdings so prominent mit dem Begriff „deftig“ wirbt sollte hier mehr bieten – auch wenn es nur für urdeutsche „Kartoffeln“ geschrieben ist.
Genuss auf FränkischBlick ins Buch
Der Deutsche Kochbuchpreis - SILBER

Ø 7.4

Genuss auf Fränkisch

Von Frühschoppen bis Abendbrot – über 50 traditionelle Rezepte aus Franken | Von Bratwürsten und Schäufele mit Kloß über Kaspressknödel bis zu Apfelküchle

Autor/-in: Verlag: riva

Fränkische Wirtshausrezepte für zu Hause
Fränkische Küche ist so viel mehr als Schäufele mit Kloß! In Franken wird regional und saisonal gekocht und gebacken, je nachdem, was die Natur gerade hergibt: ob Wildkräuter-Tarte, Kaspressknödel, saure … [weiterlesen]

Begründung der Jury:

„Es ist Zeit zu genießen!“ schreiben die beiden Autorinnen, die uns ihre sehr persönliche Fränkische Küche zeigen. Sie betreiben ein Wirtshaus in Oberfranken nord-östlich von Nürnberg und bereiten auf knapp 200 Seiten mit mehr als 50 Rezepten echten Lesegenuss. Das Durchblättern ihrer Rezeptsammlung bereitet große Freude, denn hier finden sich erwartbare deftig traditionelle Rezepte, z. B. „Biergulasch“ oder „Schäufele“ neben überraschend Modernem wie der vegane „Nuss-Getreide-Braten“, vegetarische „Grünkerntaler mit Fenchel-Orangen-Salat“ oder „Kartoffel-Pastinaken-Püree mit saurer Leber“. Ebenso unerwartet: die beinahe duftenten „Dukatenbuchteln“ im Kapitel Kaffeehaus-Stunde. Wie schade, dass nicht alle Rezepte bebildert werden konnten, da wäre ein „Nachschlag“ willkommen. In ihrem Wirtshaus zu speisen und das Buch dort mitzunehmen ist gewiss Genuss auf Fränkisch hoch zwei.
Hier geht’s um klassische Wirtshausküche wie von Tante Margarete und Oma Anna, gesammelt von den beiden Wirtinnen Angelika Hofmann und Agnes Manier vom Gasthaus Lilienthal am Tor zur fränkischen Schweiz. Los geht’s mit Frühschoppen und den Männern, die zwar noch nicht hungrig aber schon durstig am Sonntag zum Kartenspielen kommen: Schinkenbrot mit Spiegelei, Zwiebelmayo und Spinat oder saure Bratwürste im Wurzelsud.

Es bleibt deftig bei Eintöpfen, saurer Leber, Forelle Müllerin Art und Krautwickeln. Irgendwie passend, dass in der Danksagung der Offene Seniorenkreis als Quelle erwähnt wird.

Sabrine Sue Daniles gelingt es, die Rezepte appetitlich und in moderner Bildsprache einzufangen, allerdings scheint nicht alles aus einem Guss. So sind die meisten Rezepte eher romantisch-rustikal wie im Wirtshaus von nebenan in Szene gesetzt, ein paar modernere Rezepte kommen ganz anders auf poppig buntem Hintergrund daher. Sicher ist das gewollt, um die Unterschiedlichkeit optisch zu unterstützen. Es fühlt sich jedoch beim Umblättern stellenweise ein bisschen an wie Schluckauf.

Zwischendurch wird es immer wieder mal erfreulich modern: bei der bunten Berta, einem Burger mit Schwarze-Bohnen-Patty im pinken Bun zum Beispiel oder beim Rote-Linsen-Pfannkuchen mit Spargel, ebenso wie bei der weihnachtlichen Schwarzwälder Kirschtorte, oder dem heißen Birnen-Aperitif mit Ingwer und Zimt. Das bodenständige Buch hält insgesamt, was es verspricht, und ist ein gutes Nachschlagewerk für Klassiker der fränkischen Küche.

Ich bin allerdings unsicher, ob es noch ein Kochbuch mit Klassikern der Wirtshausküche braucht. Sicher hätten noch ein paar zeitgemäße Twists gutgetan.
Genuss auf Fränkisch liefert – beyond Schäufele – einen kompakten Einblick in die fränkische Wirtshausküche. Klassische Gerichte wie G’rupfter und Saure Bratwürste treffen auf moderne Einsprengsel wie Bockbier-Sirup oder Rote-Linsen-Pfannkuchen mit Erbsencreme. Dass dabei nicht immer das Tier mit auf dem Teller liegen muss, wirkt sympathisch und unaufgesetzt. Die kleinen Einblicke in den Gasthausalltag zwischen den Rezepten hätten gern größer ausfallen dürfen, denn das Buch lässt ahnen, dass das Wirtinnenpaar nicht nur Tradition, sondern auch Weiterentwicklung lebt. In Zeiten des Gasthaussterbens braucht es Gastgeberinnen wie Angelika Hofmann und Agnes Manier. Was treibt sie an? Warum kochen sie so? Für einen ausführlicheren Blick hinter die Gasthauskulissen muss man das Buch also zum Anlass nehmen, sie persönlich im Lillachtal zu besuchen.
Es muss ja auch nicht gleich Markus Söder sein. Aber hätte sich denn kein fränkischer Philosoph gefunden, mit dessen Zitat man das Buch eröffnen hätte können statt mit Virginia Woolf? Dafür bleibt es aber danach konsequent fränkisch. Die etwas rustikale Gestaltung des Buches hat es Anfangs nicht geschafft, Begeisterung bei mir auszulösen, aber dann habe ich doch immer mehr Gefallen an der Geschichte des Wirtshauses gefunden, das den Rahmen dieses Kochbuchs bildet. Und neben ein paar unveränderlichen Klassikern finden sich einige spannende und kreative Rezepte, die ich gerne mal meiner bayerischen Familie beim nächsten Heimatbesuch auftischen möchte. Hoffentlich schaut der Söder aber nicht vorbei.
Wer sein Buch mit dem Untertitel „50 traditionelle Rezepte aus Franken“ versieht, sollte das ein bisschen ernster nehmen als die Wirtinnen Angelika Hofman und Agnes Manier vom „Gasthaus zum Lillachtal“ in der fränkischen Schweiz. Denn anstelle von hier leider vollkommen unerwähnt bleibenden Titanen der Frankenküche wie Karpfen, Baggers oder Schneeballen findet der an dieser spezifischen Regionalküche Interessierte schwäbischen Linseneintopf und Käseknöpfle, Tiroler Kaspressknödel oder karpatische Pogatschen. Stattdessen
werden Eier in den Kartoffelkloßteig gegeben (Todsünde!), das Schäufele in viel bitterem Bier gekocht (statt geschmort) und der eigentlich korrekte Name für „Bratwürste im Wurzelsud“ woke weggecancelt: Saure Zipfel. Da bleibt dem in Erlangen aufgewachsenen Juror nur ein „Ade, bleibt schee!“.
Deutsche Tapas - Von der Küste bis zu den Alpen
Der Deutsche Kochbuchpreis - BRONZE

Ø 7.1

Deutsche Tapas - Von der Küste bis zu den Alpen

Autor/-in: Verlag: ars vivendi

Häppchenweise durch die RepublikVon Nord nach Süd, von Ost nach West – die deutsche Küche wird oft unterschätzt und als schwer und altbacken angesehen. Doch viele unserer Lieblingsgerichte stammen aus heimischen Küchen. Jede Region hat ihre eigenen … [weiterlesen]

Begründung der Jury:

Der Titel des Buches ist kein Oxymoron, das Autorenteam verspricht die Interpretation klassischer deutscher Gerichte auf handlich-spanische Art. Das gelingt nicht immer ganz, „Leipziger Allerlei“ ist leider kein Tellerchen-Gericht, nimmt allerdings dem wunderbaren Rezept absolut nicht seinen Reiz. „Senfeier“ und „Quarkkartoffel mit Leinöl“ sind bessere Tapas-Beispiele die zudem äußerst gelungen bebildert wurden. Überhaupt: An den Fotos kann man sich nicht sattsehen, sondern bekommt richtig Appetit! Auch auf Ungewöhnliches wie „Kuttelsalat“. Ganz stark, weil teilweise mit genialen Tipps, sind die Rezeptanleitungen, die ohne Nummerierung logisch aufgebaut sind, bei denen nur leider zur Orientierung die Zubereitungszeit fehlt. Aber so ist das am Tapastresen: Man kann nicht alles haben.
Das Buch lebt von der leicht ironischen und schön inszenierten Foodfotografie, die viele Inspirationen bietet, Klassiker der deutschen Küche neu und portionsschlanker auf den Teller zu bringen. Man fragt sich allerdings, wie die Zubereitung einer Auswahl dieser Kleinigkeiten in einem normalen Haushalt zu realisieren ist. Dafür bestehen zu viele Gerichte aus zahlreichen Arbeitsschritten und Zutaten. Die meisten der hier versammelten „Deutschen Tapas" sind komplexe Klassiker, die nur durch die Anrichteweise tapasähnlicher werden.
Die Einfach und mittelaufwändigen Rezepte finde ich vor dem Hintergrund des Buch-Titels vertretbar. Den Ansatz, deutsche Klassiker einfach nur zu verkleinern, kann ich allerdings nicht richtig nachvollziehen und finde ihn auch nicht innovativ oder besonders. Die Übertragung des Tapas-Themas in dieser recht einfachen Form geht mir nicht tief genug, als dass es den Namen "Deutsche Tapas" am Ende verdient.
Stärken des Buches liegen dagegen bei Ideen, die nur wenige Zutaten beinhalten: Rettich und Wurst, Radieschen mit Butter oder Quarkkartoffeln mit Leinöl. Wer allerdings viel Zeit, Platz und Hände für die nächste Party zur Verfügung hat, findet hier viele Anregungen, die Gäste auf vielfältigste Weise zu begeistern.
Norddeutsche Tapas, mit denen ich die deutsche Küche neu entdecke – ich bin gespannt. Besonders gut für meine Ungeduld: nach einem kurzen Vorwort geht’s direkt los mit den Rezepten. Der Look ist überraschend altmodisch und reduziert. Dennoch fehlt mir nichts. Die Bildsprache ist klar, das Licht sanft. Diese Schlichtheit findet sich auch in den Rezepten wieder. So ist in der Knoblauchbutter nichts als Knoblauch und Butter, ebenso verhält es sich bei der Pilzbutter wie der Senfbutter.

Im zweiten Drittel bei „Salate & knackiges Gemüse“ wird’s schon spannender: Bete-Pilz-Kohlrabi-Carpaccio mit Haselnussöl und Himbeeressig oder Chicorée mit Gewürzschmand und Himbeerpulver. Im folgenden Kapitel „Vegetarisches“ geht’s dann ganz, ganz tief in Partykeller meiner Kindheit zurück: Schnecken aus Bärlauchpfannkuchen, Ei im Glas oder Krabbencocktail mit Dosenmandarinen. Ein bisschen witzig ist das schon. Doch spätestens, wenn ich Tomaten-Fliegenpilze in einem Kochbuch von heute sehe, erwarte ich irgendeinen Twist, der hier nicht kommt: Eier, Tomaten, Sauerrahm, Kräuter. Punkt. Und wenn ein Dip 1:1 aus Ketchup und Mayo besteht, bin ich raus – auch wenn beides selbstgemacht ist.

Ein paar Perlen wie Grünkohl mit Blutorange und Haselnuss, Kässpätzle-Arancini oder gefüllte Speckknödel sind dazwischen, in den meisten anderen Rezepten hätte in meinen Augen ein wenig Modernität gutgetan. Und auch im Fleisch-Kapitel finden sich für mich als Nordlicht eher ungewohnte Ideen für Saumagen, Kuttelsalat oder Eisbeinsülze.

Irgendwie hatte ich was GANZ anderes erwartet bei Tapas. Aber vielleicht hab ich`s auch einfach nicht richtig verstanden…?
Tapas kennt man als kleine Snacks zum Wein aus dem Spanienurlaub. Der nordbayrische Koch Manuel Kohler hat versucht, dieses Kleine-Teller-Prinzip zusammen mit Foodfotografin Katharina Pflug auf typisch deutsche Kochklassiker wie Matjes, Kohlroulade, Käsespätzle, Toast Hawai, Eisbein, Maultaschen, Wackelpeter oder Pfälzer Saumagen anzuwenden. Das klappt schon wegen der stark schwankenden rezeptierten Portionsgrößen nicht immer überzeugend, ist manchmal kaum realisierbar (Mini-Mainfischchen; Wallerleber, Karpfen-Gonaden) und erinnert zu oft an 1970er-Partyraum-Tristesse ohne Retrocharme (Käsespießchen, Tomaten-„Fliegenpilze“). Schön dagegen: viele Rezepte mit Inneren Werten (Nose-To-tail-Zutaten) und kreative Ideen wie Radieschen im Salzbuttermantel, Schnitzel aus dem Fledermausstück oder Schweinebäckchen als Mini-Burger aus Serviettenklößen.
Ich möchte da gerne mal was klarstellen, denn mit dem Begriff “Tapas” wird ja gerne wild um sich geworfen. Ja, Tapas sind kleine Gerichte. Aber Tapas werden vor allem auch in Tapas-Bars gegessen. Kein Spanier macht sich Tapas zuhause und ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass es viele Momente gibt, in denen sich Menschen nach Feierabend fünf, sechs kleine Gerichte zubereiten. Außer: bei Partys. Und hier kommt die bittere, uncool klingende Wahrheit: Alle Tapas Kochbücher sind in Wirklichkeit Party-Snack-Kochbücher. Und dieses erinnert leider nach Durchgehen der Rezepte, mit ein paar seltenen Ausnahmen, an eines der 70er Jahre Party-Snack-Kochbücher, in denen Tomaten-Fliegenpilze, Käsespieß-Igel und Schinkenröllchen das Lavalampenlicht der Welt erblickt haben.
Zu Gast auf dem Oktoberfest

Ø 7.0

Zu Gast auf dem Oktoberfest

Münchner G’schichten, Originalrezepte und Geheimtipps

Autor/-in: Verlag: Callwey

Ein Prosit der Gemütlichkeit! Warum sind eigentlich alle so „narrisch“ auf das Münchner Oktoberfest? Eins ist sicher: Das Oktoberfest versinnbildlicht all das, was Deutschland und die ganze Welt an der bayerischen Kultur so lieben: Fesche Madln, … [weiterlesen]

Begründung der Jury:

Das größte Bierfest der Welt ist wahrscheinlich noch nie so liebevoll, opulent fotografiert und vollmundig in einem Prachtband porträtiert worden wie von Franz Kotteder. Der Lokalredakteur der „Süddeutschen Zeitung“ mit Food-Schwerpunkt stellt alle Wirte, Akteure, Zelte und kulinarische Besonderheiten der Wiesn in ihrem aktuellen, aber auch historischen Kontext vor. Naturgemäß sind auf solchen Coffetablebook-Hochglanz-Seiten die dunklen Schatten des schönen Oktoberfestscheins von blutigen Nasen bis zu Koma-Räuschen nicht zu sehen. Dafür gibt es von jedem Veranstaltungs-Akteur ein typisches Original-Kochrezept wie Vronis Fischgulasch, Schweinshaxe, Obazda, Hühnermägenragout, Sauerbraten oder Schmorente bis hin zu „Spöckis Vegane Currywurst“. Leider nicht immer sauber rezeptiert wie bei der Ochsensemmel für 4 Personen – mit 1,5 Kilo Rinderschulter.
Eine Vorstellung, dass es in diesem Buch um Großes geht, bekommt man gleich beim ersten Durchblättern. Auf „der Wiesn“, wie man auf Bairisch zum Oktoberfest sagt, wird 1 Liter Bier als „Mass“ (mit kurzem kräftigen A, wie in „Fass“) in großen Krügen ausgeschenkt, die hallenartigen Bierzelte fassen teilweise mehr als 8000 Menschen und das Fest hat hier sogar einen eigenen Lageplan. Der Wiesn-Experte Franz Kotteder schreibt seit Jahren für die Süddeutsche Zeitung über das mehr als 200 Jahre alte Volksfest. Er kennt die Wiesnwirte und ihre Geschichten und hat die Fakten penibel zusammengetragen. Und weil man sich halt kennt, haben ihm die Festwirte ihre wiesn-typischen Rezepte verraten, die teilweise auch groß daherkommen. So sollen für den „Münchner Sauerbraten“ z. B. 5 kg Rinderbraten eingelegt werden, dagegen fallen die Nudeln „wia a Carbonara“ mit geräucherter Entenbrust und Trüffelbutter klein aus. Dito das „Hendl“ (Brathähnchen), hier ein Grundnahrungsmittel mit Butter gebraten, ohne dass kaum ein Zeltaufenthalt zu bewältigen“ ist. Das Layout der Bierzelt-Doppelseiten kommt manchmal etwas laienhaft daher, wenn z. B. ein Kellner mit Armen voller Bierkrüge oder ein Festwirt neben seiner Gattin vom Buchfalz „verschlungen“ werden. Die bezaubernden Zeichnungen vom Buchcover begleiten als Gestaltungselemente die Wiesn-Buch-Leser durch alle Kapitel. Guad g‘macht!
Nicht Dirndl, nicht Lederhosen, nein, die Wiesn ist eine der besten Verkleidungen der Welt. Mit ihr verwandelt sich die Stadt, die immer schläft, für gute zwei Wochen in eines der größten Feste der Welt. Langweilige Key Account Manager werden zu Gaudi-Bazis. Dröge Patent-Anwältinnen werden zu Busserl-Vamps. Und etwas Ähnliches schafft dieses Buch. Das Grundthema des Oktoberfestes gibt den doch sehr standardmäßigen Rezepten einen unterhaltsamen Rahmen und kann bei dem einen oder anderen Wiesn-Enthusiasten die Wartezeit auf den nächsten September gefühlt verkürzen.
Was für ein opulentes Buch! Schon der geprägte Buchdeckel, das Layout und das ungewöhnlich große Format sind besonders. Mitnehmen aufs Oktoberfest sollte man ihn jedenfalls nicht, den großen, dicken Wiesnführer.

Hier wird die in den letzten Jahren immer besser gewordene Küche auf der Wiesn in den Fokus gerückt. Wer das Buch gelesen hat, weiß nicht nur alles über die Zelte, deren Wirte und die Stände drumherum – sondern auch, welche Wiesntypen es gibt, was es mit der Tracht so auf sich hat und was echte Biermusik ist. Ein „Kleines Bairisch ABC“ hilft, Missverständnisse zu vermieden, wobei der Humor hier Geschmackssache ist. So verstehe ich nicht, warum es ausgerechnet ein Aborigine das Paradebeispiel für eine Person sein muss, die das bayrische „a“ nicht aussprechen kann.

Wer ganz tief in die Welt der Wiesen eintauchen möchte, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt. Hier kann man sich nämlich den original Festzeltschmaus mit knapp 40 Rezepten nach Haus holen: So finden sich hier allseits bekannte Rezepte wie Krustenschweinebraten, Kaspressknödel oder Kaiserschmarrn. Aber auch Gnocchi mit roter Bete in Kokos-Chili-Sauce, geschmortes Pulled Pork mit süßsaurer Barbecuesauce oder Eiernudeln „wia a Carbonara“.

Die launigen Illustrationen, die der Gliederung einen superzeitgemäßen Touch geben sind in diesem Fall sogar stärker als die Food-Fotos aus dem Atelier Tacke, deren Look mir etwas zu gelackt ist. Die anderen Bilder sind ein buntes Sammelsurium – größtenteils Archiv. Auch fehlt mir ein wenig die kulinarische Schaffenshöhe im Vergleich zu den anderen Kandidaten dieser Kategorie, denn die Rezepte sind ja „nur“ aus den Zelten zusammengesammelt.
Das Oktoberfestkochbuch will zeigen, dass es beim größten Volksfest der Welt um mehr geht als um’s „Saufen“ und „Brechreiz“ wie es Christian Ude im Vorwort betont. Zwischen Rezepten aus den Zelten gibt es viel Geschichtliches, Details und Tipps für den Wiesnbesuch. Ein Brathendl mit Petersilienblättern oder „Surf & Turf à la "Zur Bratwurst“ lassen die Wiesn jedoch kulinarisch nicht wirklich glänzen.
Die Leser:innen dürfen sich am Ende noch als „Wiesenbraut“ oder „Weiberer“, „Partyhengst“ oder „Wilde Stute“ als Zelttyp verorten – denn „A Bissl was geht immer.“ Auch unter „reichlich vorhandenem Alkohol“, verspricht der Autor. Das erzeugt dann allerdings bei mir als Juror leider den eingangs erwähnten Brechreiz.
Schwarzwald. Meine kulinarische Heimat

Ø 6.8

Schwarzwald. Meine kulinarische Heimat

Menschen - Geschichte - Rezepte

Autor/-in: Verlag: 8 grad verlag GmbH & Co. KG

Kirschtorte. Schinken. Hannes Finkbeiners kulinarische Reise führt nicht nur zu den Schwarzwälder Exportschlagern, sondern auch in versteckte Täler zu Teichwirten und hoch zu Schäferinnen auf die Grinden, die kargen Höhenzüge des Nordschwarzwalds. … [weiterlesen]

Begründung der Jury:

So wie immer behauptet wird, dass die Menschen Kochshows gucken und dann doch beim Pizzadienst bestellen, gibt es ja auch die These, dass nicht jedes Kochbuch mit der Absicht gekauft wird, daraus etwas zu kochen. Was auch immer die Intention war, Hannes Finkbeiner hat die Rezepte auf ein Minimum beschränkt und eigentlich eher einen kulinarischen Heimat-Reiseführer herausgebracht. Viele Texte, viele Geschichten, aber da der Autor eine unterhaltsame Art zu schreiben hat, ist dieses Konzept eine gute Entscheidung gewesen.
In Schwaben können sie bekanntlich alles außer Hochdeutsch – vor allem aber richtig gut und deftig kochen. Der aus „The Länd“ stammende Kochbuchautor Hannes Finkenbeiner grenzt das Thema geographisch auf die Region Schwarzwald ein und macht dem Untertitel „Menschen, Geschichten, Rezepte“ alle Ehre: Er porträtiert liebevoll und einfühlsam einschlägige Gastronomen und Produzenten autochthoner Spezialitäten wie Schwarzwälder Schinken und Kirschtorte, Zwiebelrostbraten, Butterbretzeln, Kartoffelsalat, Maultaschen und natürlich Spätzle. Die wichtigsten Speisen sind gut nachkochbar rezeptiert, dennoch ist das Werk eher ein Lese- denn ein Kochbuch für angehende Schwabenversteher. Abzüge gibt es für das Fehlen eines Registers, das den Außerschwäbischen die Navigation durch diesen engmaschig durchflogenen Spätzle-Kosmos doch erheblich erleichtern würde.
In Hannes Finkbeiners Buch tauchen wir ein in die vielfältige Welt der Produzenten des Schwarzwalds, der vielen nur in Klischees im Bewusstsein ist. Das kulinarische Update des Autors führt uns abseits der ausgetretenen Pfade und zeigt mehr als Schinken und Torte. Jedoch ohne diese komplett auszuklammern. Es macht Freude, in die Welt von Bäckern, Metzgern oder einer Bonbonmacherin einzutauchen. Eine Karte zur Orientierung der Protagonisten hätte dem Buch allerdings gutgetan. Durch die schlichte Aneinanderreihung der Texte fehlt es dem Werk etwas an Rhythmus und Dramaturgie. Die 19 Rezepte am Ende wirken so auch eher wie ein Add-on als ein Fokuselement, das tiefer in die Region einführt.
Hannes Finkbeiner wuchs quasi im Hotel auf, hatte als Kind auf allen Bildern etwas zu essen um Mund oder saß vor einem Teller, die Backen dick wie ein Eichhörnchen. Alles begann mit einer Milchabholstube, die erst zum Café mit Toast Hawaii, Bananensplit und Kirschtorte wurde und 1977 schließlich zum Gästehaus mit Hotel. Hier half Hannes früh mit, wurde zunächst zum Restaurantfachmann und dann zum Journalisten, der heute mit seiner Familie in Hannover lebt.

Die Kapitel am Anfang catchen mich irgendwie nicht so wirklich: Historie, Bier, Brot, Schinken, Wurst, Käse und so will ich ein wenig „vorspulen“, um direkt zu den Rezepten zu springen. Beim Blättern geht mir dann ein Licht auf: es IST überhaupt kein klassisches Kochbuch, sondern vielmehr eine Hommage an den Schwarzwald mit den allerbesten Adressen und Geschichten zu den Menschen hinter den Gerichten.

Erst ganz am Ende auf S. 193 kommen dann noch ein paar Rezepte für Brot, Grünkernsuppe, Rauchforellencreme, Spätzle oder Rostbraten. Die Bilder kommen etwas altbacken daher, auf Props, Krümel, Besteck, Hände oder Stofflichkeit wird gänzlich verzichtet, was alles ein wenig leblos scheinen lässt.

Für reiselustige Schwarzwaldfans bestimmt ein verdammt gutes Begleitbuch, für mich als Kochinteressierte weniger spannend. Schade, dass es zu den mundwässernden Geschichten am Anfang keine Rezepte gibt. DIE hätten mich nämlich schon interessiert.
Dieses Buch weist trotz seiner 230 Seiten leider nur 19 „ausgewählte“ Back- und Kochrezepte auf. Hannes Finkbeiner nimmt uns mit auf einen Roadtrip durch seine Heimatregion: Ein Reisebuch mit vielen kulinarischen Tipps (leider ohne Landkarte!). Leider unklar bleibt die Cover-Motiv-Auswahl, Pfifferlinge kommen in den Rezepten nicht einmal vor. Aber es wird zweimal Mehl „Type 450“ verwendet (gemeint ist „Type 405“), ein unschöner Zahlendreher, der passieren kann, aber gleich zweimal in direkter Folge? Auch der Hinweis in den Rezeptvorzeilen, dass die „Apfeltorte“ (ohne Mehl-Typenzahl), „für Kinder nicht geeignet“ sei, weil Wein als Zutat „kalt eingerührt“ wird, ist nicht richtig, wird er doch gekocht und gebacken. Wünschenswert wären Rezepte mit regionalen Lebensmitteln der vorgestellten Produzenten gewesen, damit wäre ein Bezug zum Reiseteil sichtbar gemacht worden. Schade!
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